DIE WÜTENDE PRINZESSIN UND IHRE ZWEI WÜTENDEN KATZEN (RESÜMEE)

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An einem meiner letzten Wochenenden halte ich Sake (oder doch Kake?) zum ersten Mal im Arm, Finnland

Nach 182 Tagen hat mein Blog die Realität fast eingeholt. Über vieles hatte ich eine ganze Menge zu sagen. Aber manche Sachen passieren einfach und lösen nichts aus. Andere haben mich im Vorbeifahren beeindruckt. Nicht alles verdient einen langen Text, anderes passt einfach nicht hinein. Bevor ich Finnland verlasse, wollte ich einmal den virtuellen Boden kehren.

 

Eine Freundin hat mich vor kurzem gefragt, was mir mein Aufenthalt in Finnland gegeben hat. Die Antwort ändert sich ständig in meinem Kopf. Ich kann auch drei Wochen, nachdem ich Finnland verlassen habe, nur schwer ein Resümee ziehen.

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Am Anfang meines Au-Pair-Daseins konnte ich mir nicht vorstellen, wie sehr einem fremde Kinder ans Herz wachsen können. Zwischen Verwirrung, Lachkrampf und Geduldsproben gibt es unzählige Momente der friedlichen Koexistenz. Das sind Momente, in denen man den Kindern bei der Entdeckung des eigenen Charakters zusehen kann. Gibt es etwas Spannenderes?

 

Einmal filmte mein finnischer Gastvater seine Kinder beim Spielen. Sie spielten zu dritt (10, 6, 2) ein Spiel, welches sie „die wütende Prinzessin und ihre zwei wütenden Katzen“ nannten. Ich selbst habe das Video nie gesehen, sondern nur die Tonspur gehört. Aber die war großartig. Ich überlasse es eurer Fantasie euch die Szene auszumalen.

 

Die Jüngste genoss die Aufmerksamkeit, die sie bekam, wenn sie Füße stampfend durch das Haus lief und entweder ihre Puppe oder den Familienhund wüst beschimpfte. An dem, was sie sagte, war kaum Böswilliges zu finden, jedoch ahmte sie den schimpfenden Tonfall aufs köstlichste nach, zog eine Schnute, warf mit Befehlen um sich und streckte den Zeigefinger weit aus. Eine wahre Kämpfernatur in einem rosa Prinzessinenkleid. Die beiden Jungen hatten meist eine verständnisvoll-nachsichtige Haltung zu ihrer kleinen Schwester, waren jedoch, wenn es hart auf hart kam, machtlos gegen ihre Willenskraft. Für mich war es eines der größten Geschenke dieses Trio ein klitzekleines Stück ihres Weges begleitet haben zu dürfen.

 

Die schönsten Momente hatte ich, wenn S. mich in meinem Zimmer besuchte. Sie tanzte dann wild auf meinem Bett zu jeder Art von Musik die sie auf meinem Rechner finden konnte (vorzugsweise mit einem pinken Coverbild) und brach in verzücktes Lachen aus, wenn ich mitmachte. Sie ahmte meine unbeholfenen und altbewährten Tanzbewegungen nach und fand nichts amüsanter, als mich bei der Bemühung zu beobachten, ballettartige Bewegungen auszuführen.

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Mein erster Gedanke bei der Entdeckung, dass wir einen Fluss auf dem Grundstück hatten, war Schlittschuhlaufen! Jedoch musste ich mir das sehr bald aus dem Kopf schlagen. Natürliche Eisflächen sind nicht sehr beliebt, wegen des Schnees, der darauf liegt. (Mehr Arbeit als Vergnügen.)

 

Wo lernen die Finnen dann bitte Schlittschuhlaufen? Schließlich ist ungefähr 1/10 des Landes mit Seen bedeckt. Und liegt es da nicht nahe, einfach dorthin zu gehen?

 

Es gibt eine Sache, die es häufiger gibt als Seen: Fußballfelder. Jedes Dorf hat eines und dabei meistens einen Parkplatz direkt neben dem Feld. Da die Finnen sehr praktisch veranlagt sind und die Mannschaften im Winter in den Hallen trainieren, gibt es keine Gegenargumente: Jede Pfütze verwandelt sich im Winter in eine Eisfläche. Es ist ein Leichtes eine dicke Eisschicht zu kreieren und mit minimalem Aufwand zu betreiben. Wenn es dunkel wird, werden einfach die Fußballlichter angemacht. Überall. Nachmittags um sechs ist da der Bär los.

 

Das heißt natürlich nicht, dass man auf kleinere Gewässer gar nicht geht. Die beiden Jungs spielen mit Vorliebe wild auf dem bachähnlichen Zufluss (eher einem Rinnsal). Dabei ist es ein besonderes Vergnügen, wenn das Eis einbricht und die Handschuhe nass werden. Die drei Zentimeter dicke Eisschicht wird mit großer Freude aus dem Wasser geborgen, am Rand gesammelt und gezählt. Währenddessen rast der Andere mit seinen Schlittschuhen über das unebene Eis. Fällt er hin, steht er wieder auf. Wenn das Eis kracht und knarzt, hört er aufmerksam zu, als würde er genau wissen, wann es bricht. Wer weiß, vielleicht tut er das sogar?

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Eine der wichtigsten Sachen, die ich in Finnland verstanden habe, ist, dass Familie nie ein festes Gefüge ist. Als Kind fühlt es sich so an, als würde sich nie etwas verändern, weil die Veränderung in einem selbst stattfand. Als Erwachsener erkenne ich, dass Familien nie gleich bleiben. Es ist immer ein Kompromiss auf Zeit. Auch wenn Kinder diese Provisorien nicht wahrnehmen, ändert das nichts daran, dass alle Regeln und für unveränderbar gehaltene Sachen sehr wohl veränderbar sind. Alles andere ist eine Illusion.

 

Hier in Finnland jonglieren die Eltern die Bedürfnisse der Kinder, des AuPairs und ihre eigenen mit virtuoser Flexibilität. Es wirkt auf mich wie ein wohltrainierter Muskel, denn die Abläufe ändern sich hier nicht nur jedes Jahr, sondern jede Jahreszeit. Das Leben im Winter ist ein anderes, als das Leben im Sommer. Die von den Kindern ausgeübten Hobbys unterscheiden sich nicht selten von den Hobbys im Winter. Die Anzahl der Tiere auf der Farm wächst im Sommer um zwei Ponys und vielleicht drei Schafe. Und zwischen all den Veränderungen, ändern sich natürlich auch die Grundbedürfnisse der wachsenden Kinder.

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Was mir Finnland nun letztendlich gegeben hat? Kontext. Die Lebensweise des Nordens. Die Wintersonne. DIE WINTERSONNE. Autofahren im Schnee und auf Eis. Gelassenheit. Ein weiteres Land in dem ich mich nicht mehr fremd fühle. Orte, an die ich zurückkehren möchte.

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Comments: 2
  • #1

    Yvonne (Monday, 06 March 2017 16:27)

    Schönes Foto von Dir. Schade, dass die Haare nicht besser belichtet sind. Die Farbe der Katze und deine Haarfarbe könnten sich treffen. Viel Spaß im tauenden Frühling

  • #2

    Bella (Monday, 06 March 2017 17:08)

    Danke. So rot ist mein Haar dann doch wieder nicht. Ich habe ja schließlich auch einen langen Winter hinter mir. ;-)