CHINESISCHER TEE

English text
Grübeln über Ozeane, Jinghong, China

Eines der größten Geschenke, die mir C. und D. machen, ist die Einführung in den chinesischen Tee. Ich verbringe einige Zeit damit, die Weltkarte im Gemeinschaftsraum zu betrachten, während C. den Tee zubereitet. Ich kratze nur an der Oberfläche, natürlich.

Regal mit Teekocher und Teegeschirr (unten rechts), Jinghong, China

Wer tatsächlich chinesischen Tee verstehen will widmet sein Leben dieser Kunst. C. steckt seid vier Jahren mittendrin. Sie studiert alle Aspekte der lokalen Teekultur. Tee ist hier wie Wein. Man kennt Jahrgänge, Berghänge und sinniert über den Geschmack. Als ich den „Forrest Tee“ das erste mal trinke, schmecke ich vor allem Algen und Fisch. Mein Gesicht verzieht sich und C. lacht. Sie erzählt mir, was ich wann, wie lange ziehen lassen muss und worauf ich achten kann. Schnell begreife ich, dass jeder Schluck, jeder Aufguss ein neues Geschmackserlebnis bietet. Bald schaue ich auf die verschiedenen Farbtöne, das dunkele Grün, das mit jedem Aufguss blasser und blasser wird oder das Braun, das bald rot und dann rosa erscheint. Je öfter man den Tee aufgießt, desto zarter wird der Geschmack. Was am Anfang noch harsch und fischig erscheint, macht beim fünften Aufguss Platz für eine süße Komponente, fast blumig. Anders als die Europäer spricht man nicht über das Geschmackserlebnis. Meine mit weit aufgerissenen Augen hervorgebrachten Ausrufe toleriert man mit freundlicher Nachsicht und leichter Belustigung. Meine Gastgeber wissen nicht so ganz, was sie mit meiner Unwissenheit anfangen sollen. Schließlich gibt es bei uns doch auch Tee, oder?

***

Durch Zufall und etwas Glück bittet uns ein reisender Geschäftsmann einer seiner Verabredungen beizuwohnen. Es ist skurril. Wir laufen zu einem Lagerhaus und werden dort zunächst zu einem Tee gebeten. Ich verstehe nicht was passiert, aber anscheinend ist für die ersten zwei Stunden an Geschäfte nicht zu denken. Wir trinken Tee, unterhalten uns über das Leben, über mich (wie mir übersetzt wurde) und die Produkte, die im Raum stehen und hängen. Das Interesse ist dezent, ich weiß nicht, ist man höflich oder tatsächlich interessiert? Es ist für mich schwer zu entlarven. Wir befinden uns in einem kleinen kargen Nebenraum, der nur eine Tür hat, welche zu den Lagerräumen führt. Bei den darauf in verschiedenen Ecken des Komplexes stattfindenden Verhandlungen, bin ich nicht beteiligt. Langeweile und dem festen Wunsch mich hinzulegen zum Trotz, verweile ich geduldig zwischen den Kisten. Sie enthalten alles, was die hier so verbreiteten Tante-Emma-Läden, verkaufen. Abgepackte Kekse und Kuchen, Trockenobst und Süßigkeiten.

Es ist langwierig, das Geschäfte machen. Abends sind wir eingeladen zum Essen. Ganz nach der Fasson der größten Minderheit in der Stadt, den Dai, setzen wir uns an den Tisch mit sieben unbekannten Erwachsenen. Wir schmausen ein köstliches und sehr vielfältiges Mal, welches auf dem traditionellen Drehtisch serviert wird. Zum Trinken gibt es lokalen Wein (eher Schnaps) und Zitronenlimonade. Der Tisch ist zum Bersten gefüllt. Mein Favorit? Ananasreis. Zum Reinlegen. Dazu gibt es Schweinehaut, gebratenes Huhn, süßes Glibberzeug in Bananenblättern, Eintopf, Tofu, Reis,... Es erscheint mir endlos. Am Ende sind meine Gastgeber, die beide keinen Alkohol trinken, erstaunt, dass ich noch gerade gehen kann. Ich schmunzle und erzähl ihnen vom Bier zu Hause, Stolz und Grundnahrungsmittel seit dem Mittelalter. Jahrelanges Training, erkläre ich ihnen, hat über Generationen unsere Mägen darauf vorbereitet, große Mengen von Alkohol zu vertragen. Das klingt gut, fast als wüsste ich es tatsächlich, dabei ist es nur eine vage Vermutung, die ich glaube einmal irgendwo gelesen zu haben. Sie schauen mich an wie einen Alien und grinsen.

***

Ein paar Tage später, ziehen C. und ich los, um die Erlaubnis einer Familie der Dai einzuholen um sie beim Töpfern der traditionellen Gefäße zu filmen. Wir verbringen gute drei Stunden damit Tee zu trinken, aber die Erlaubnis wollen sie uns nicht geben. Wir bekommen kein klares Ja, aber auch kein klares Nein. In Ausflüchten müssen wir uns unsere Zurückweisung zusammenbasteln. Ich fühle mich an all die Filme erinnert, in denen chinesische Bösewichte, Tee trinkend die Welt beherrschen. Hier am Tisch passiert ein Machtspiel, und ich habe keine Ahnung wie und warum.

 

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