DREI TAGE AUF DEM DACH DER WELT

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Pause beim Totenkopf, Bergsee und Wüste, Tibet, China

Das Dach der Welt ist ganz anders als ich es mir vorgestellt habe. Die Berge hier in Tibet sehen am Anfang aus wie aus der Autowerbung. Wie die Schweizer Alpen minus der Tannenbäume und der Alpenhütten. Die Straßen sind neu und schmiegen sich wie Schlangen in die Berge. Es ist traumhaft schön. Jedoch verlässt man die weiten Blicke in die Tiefe der Täler und erklimmt schließlich die Ebene auf der kein Baum wächst, auf der das einzige Grün einem Hauch von Moos entspringt und wo türkisblaue Seen die endlose Weite des Himmels reflektieren. Die Landschaft hier oben ist einzigartig, wenn man jedoch trotzdem nach Vergleichen sucht, schießen mir Armenien oder der Südiran im Hochsommer in den Kopf. Allerdings sind Armenien und der Südiran vorwiegend gelb. Tibet ist braun. Es ist eine Steinwüste, in der kein Baum und kein Busch den Menschen vor der grellen und gleißenden Sonne schützt.

Esel mit trockenen Büschen, Tibet, China

Hier oben habe ich nicht meine erste Begegnung mit Symptomen der Höhenkrankheit, jedoch kann ich ihnen hier nicht entkommen. Ich trage noch immer einen Schnupfen mit mir herum, der sich in meine Nasennebenhöhlen verkrochen hat. Der Kopfschmerz, den die Höhe verursacht, und die Anstrengung die mich jede Bewegung kostet, führen dazu, dass ich auf einem der hinteren Sitze des Taxis dahinvegetiere. Bald drifte ich von Schlaf zu Traum und zurück in die Realität. Jeder Stein auf der Straße geht wie eine Welle durch meinen Körper, meine Knie sind so schwach, dass ich dem Schütteln nichts entgegen setzen kann. Ich gebe jegliche Kontrolle aus der Hand. Die drei Tage im Taxi durch Tibet sind wie einer. Nur mit Mühe erinnere ich mich an die drei Hotelzimmer und die Mahlzeiten, die wir zu bizarren Zeiten eingenommen haben. Jede Bewegung bringt mich außer Atem und an den Rand einer Ohnmacht. Ich bin unendlich froh, mich um nichts kümmern zu müssen, treibe verantwortungslos durch das Land und starre voller Verwunderung in die Fremde. Ich schalte ab. Nehme auf, was sich in mein kleines Sichtfeld drängt und lasse alles andere unbemerkt vorüberziehen.

Tiefblaue Seen auf 5.000 Metern, Tibet, China

Die Landschaft fliegt vorbei und nur wenn P. mich direkt auffordert steige ich aus, um mich bei einem Militärposten in die Schlange zu stellen oder von einem besonderen Ort ein Foto zu machen. P. ist mein obligatorischer Fremdenführer. In Tibet darf ich ohne ihn so gut wie keinen Schritt machen. Ich bin froh, dass er da ist. Er ist nicht besonders fürsorglich, macht Dienst nach Vorschrift, aber ich kann es ihm nicht übel nehmen. Zumindest lässt er mich in Ruhe und das ist Gold wert.

 

 

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