IM BACKOFEN: LUANG PRABANG

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Die Hauptstraße von Luang Prabang, Laos

Sobald ich aufwache, packe ich meine Sachen und stiefle zu meinem reservierten Hostel ins Zentrum der Stadt. In Luang Prabang besteht das Zentrum aus einem Berg mit Tempel und einer Hauptstraße eingefasst von Steinhäusern, die die französischen Kolonialherren hinterlassen haben. Ein Ensemble, welches in seiner Gesamtheit UNESCO Weltkulturerbe ist.

Vom Hostel zum Royal Palace, Luang Prabang, Laos

Ich fühle mich sofort wohl hier. Seit Ewigkeiten habe ich keine so eleganten Häuser mehr gesehen. Die Proportionen sind mir vertraut und wirken stimmig. Mit Leichtigkeit kann ich mir die Franzosen in der brütenden Hitze vorstellen: die langen Kleider der Frauen, die Hüte und Sonnenschirme, die Sommeranzüge der Männer (ebenfalls alle mit Hut). In meinem Kopf spielt sich ein Kostümfest ab. Auch das kann nur an der erbarmungslos strahlenden Sonne liegen. Mir tropft der Schweiß von der Stirn. In der Abwesenheit eines Luftzuges bleibt mir die kleinste Erleichterung versagt. Ich fühle mich wie eine in Lauge getunkte Salzbrezel im Backofen.

Café am Straßenrand, Luang Prabang, Laos

Erleichterung verschafft mir Schokoladenkäsekuchen und ein Cappuccino in einem klimatisierten Café. Auch das ist eine nette kleine Hinterlassenschaft der ehemaligen Kolonialherren, an verschiedenen Ecken gibt es Croissants, die tatsächlich nach Croissant schmecken. Der Nachtmarkt ist eine Aneinanderreihung von kleinen Geschäften mit einer schmalen Fressgasse voller laotischem Barbeque. Das Essen sieht dem der Dai in China sehr ähnlich. Es gibt den gleichen Fisch, zubereitet auf dieselbe Weise. Curries und "Reis mit Scheiß“ in endlosen Varianten.

Holzhäuser zum verweilen, Luang Prabang, Laos

Ich fühle mich wohl hier, wenn auch nur wegen des heute noch sichtbaren französischen Einflusses. Ein bisschen komisch fühle ich mich mit dieser Realisation. In meinen Augen kann das einfach nichts anderes sein als kulturell unsensibel. Knapp tausend Kilometer weiter, in Bangkok, lerne ich jedoch das Gegenteil. Auch der König Thailands, welches nie Kolonie war, baut die königlichen Bauten seines Machtzentrums nach europäischem Vorbild. Mein Empfinden von Schönheit ist zwar sehr wohl ein europäisches, jedoch wird es von den Einheimischen nicht verwiesen. Vielleicht ist es nicht ganz so schlimm wie ich es mir einbilde.

Foto von Leo und Sebastian, Luang Prabang, Laos
Kuang Si Wasserfall, bei Luang Prabang, Laos

Um aus dem „Backofen“ zu fliehen, mieten Sebastian, Leo und ich uns zwei Skooter und düsen raus aufs Land um den viel gelobten Wasserfall anzuschauen. Sebastian und Leo sind einige der wenigen Reisenden, die ich bisher getroffen habe, die genauso reisen wie ich. Ohne Flugzeug und auch aus Deutschland. Wir verstehen uns gut. Zum ersten Mal sind wir uns an der Grenze zwischen Nepal und Tibet begegnet, das zweite Mal habe ich zwei Abende mit ihnen in Jinghong, China verbracht und jetzt in Luang Prabang kreuzen sich unsere Wege zum dritten Mal. Die Beiden sind Menschen ganz nach meinem Herzen. Mich überrascht, dass uns so viel verbindet, denn ich war davon überzeugt, dass das Alleinreisen mein Erleben viel deutlicher prägt als es das tatsächlich tut. Obwohl, so ganz stimmt das natürlich nicht, aber es gibt Aspekte, die uns alle drei beschäftigen. Wo es den beiden Wahlaugsburgern eher um die Umwelt geht, ist mir mein Erleben wichtiger, aber das ist auch alles. Wir zerbrechen uns den Kopf über den Sinn unserer Reisedokumentationen und Onlineplattformen. Es ist für mich eine unglaubliche Freude, mich mit jemandem über Blog, Instagram und Facebook austauschen zu können, der meiner Lebens- und Entscheidungswelt so nahe ist. Wir haben dieselben Probleme und finden unterschiedliche Lösungen für sie. In einigen Aspekten weiß ich mehr, in anderen sie. Die Begegnung mit den Beiden vom Eins2Frei-Blog, führt bei mir zu einer ganzen Reihe an kleinen Änderungen auf meinem Blog. Ich vereinfache meine Seitenstruktur, ändere meine Tagline auf Instagram, verbessere mein SEO und formuliere E-Mails an deutsche Reiseblogs und Zeitschriften. Für mich ein Schritt, den ich bisher auf meine Zeit in Sydney verschoben habe. Da werde ich schließlich Raum und Zeit haben, mich um so gruselige Kontaktaufnahmen zu kümmern. Schließlich kann ich nicht auf ewig ins Leere schreiben. Einfach ins kalte Wasser springen, meinen die Beiden. Es kann ja nicht schlimmer werden. Und recht haben sie.

Kuang Si Wasserfall, bei Luang Prabang, Laos

Ganz tatsächlich springen wir an diesem Nachmittag in der Nähe Luang Prabangs ins kühle Nass, des in Kaskaden den Berg hinunter kullernden Wasserfalls. Das Wasser ist türkisgrün, die Sonne scheint golden auf uns hinab, die Stechmücken sind im Urlaub und die Einheimischen freundlich. Auf den Fotos ist es paradiesisch. Die Realität ist trotzdem enttäuschend.

 

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