NEPAL, ICH KOMME!

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Buddhistisches Kloster, Nepal

Auf der anderen Seite des Grenztors drängen sich Haus an Haus im Nebel dicht aneinander. Die Straße ist schlechter als auf der indischen Seite. Aber die Menschen sind ruhiger. Niemand spricht mich an. Als ich nach Informationen frage gibt man mir eine direkte und unkomplizierte Antwort. Ich gehe zur Immigration, kriege mein Monatsvisum und kann meine Gebühr in indischen Rupien zahlen. So viele Berichte haben mich auf mögliche Korruption vorbereitet und doch begegnet mir keine. Als ich ein Busticket kaufe, zahle ich weniger als im Internet steht, mein Verkäufer bringt mich bis direkt an den Bus, erklärt höflich, wo ich aussteigen muss, versichert sich mehrmals ob ich nicht doch frühstücken will und kümmert sich darum, dass mein Rucksack nicht auf den Bus, sondern unter den Bus auf die Lagefläche kommt. Ich beobachte ihn die ganze Zeit misstrauisch. Ich kann nicht glauben, dass man mich nicht übers Ohr haut, mir mein Gepäck klaut. Und doch passiert nichts. Ich bin ganz deutlich nicht mehr in Indien, sondern in Nepal. Die Menschen sind freundlicher.

Der Bus in den ich steige ist ausgeschmückt mit silbernem Geschenkpapier, mit hinduistischen Schutzinsignien und Mantras. Zu mir in den Bus steigen Einheimische und zwei riesige Pakete. Ich bin die einzige Ausländerin. Aus Unwissenheit setze ich mich direkt an die Tür. Da der Busboy während der Fahrt aus der offenen Tür herausschreit um weitere Mitreisende aufzugreifen, verbringe ich die nächsten acht Stunden frierend. Zwar bin ich dankbar für die frische Luft, die Gerüche im Bus sind ziemlich unerfreulich, aber die Kälte setzt sich tief in meine Knochen. Zusammen mit meiner Müdigkeit wegen der rumpeligen vorangehenden Nacht eine höchst unerfreuliche Kombination. Irgendwann komme ich in Bharatpur an. Hier muss es einen Bus nach Sauraha geben. Ich steige aus und werde von einer Hitzewelle fast umgehauen. Auf mein Nachfragen sagt man mir, dass ich zu einer anderen Bushaltestelle muss. Da ich nur eine auf meiner Karte sehe und der Taxifahrer zu viel verlangt, laufe ich. Vielleicht nicht die klügste Idee, aber es sieht so aus, als müsste ich einfach die Straße hinunter laufen. Schnell wird mir warm und ich beginne mich aus meinen Schichten zu pellen. Es dauert nicht lange und die Schweißperlen stehen mir auf der Stirn. Die Straßen erscheinen mir sehr voll (später stellt sich heraus, dass ich an einem Feiertag ankam), die Menschen fröhlich und ich sehe so viele Frauen in schöner und nicht selten aufreizender Kleidung, dass ich mich in meiner Wanderhose sicher fühle.

Beim deutlich kleineren Bus angekommen, sagt man mir, dass ich ein Stück mitfahren kann. Ich bin Gesprächsthema des Busses. Man lächelt mir freundlich entgegen und jeder weiß Bescheid, wo ich aussteigen muss. Mein Rucksack beeindruckt hier. Da der Bus sich extrem langsam im Verkehr fortbewegt und der Bus immer voller wird, steigen die Temperaturen. Die jungen Mädchen, die mit ihren Müttern und Tanten erhitzt und erschöpft zusteigen, brauchen nicht lange und kuscheln sich dann vertrauenswürdig an meine so viel breiteren Schultern. Da es sowieso keinen Raum zu atmen gibt, füge ich mich in diesen so unerwarteten Vertrauensbeweis, atme langsam und zähle die Tropfen die meinen Rucken hinunterkullern. Ich kann spüren, wie sie bis in die tiefsten Regionen meiner Hose tropfen. Bald wird mir schwindelig, aber da es keinen Bewegungsraum gibt, halte ich mich einfach stärker an meiner Stange fest. Bald sehe ich schwarz und die Sterne tanzen vor meinen Augen. Nach 22 Stunden Reisezeit sind meine Kräfte am Ende. Da der Bus jedoch so voll ist, bleibt meine Ohnmacht unbemerkt. Ich bin festgeklemmt zwischen den Körpern der Anderen. Glück im Unglück. Noch zweimal drifte ich ab, bevor der Bus ruckelnd zum Stoppen kommt und ich an der Reihe bin auszusteigen.

Hauptstraße, Sauraha, Chitwan National Park, Nepal

An der frischen Luft hohle ich tief Atem. Ich bin noch lange nicht an meinem Hotel. Also beiße ich in den sauren Apfel und nehme ein maßlos überteuertes Rikschataxi. In der willkommenen Zugluft der Rikscha, erhole ich mich langsam. Als ich ankomme bin ich wie ein neuer Mensch und bereit, den Tigern zu begegnen.

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