PFANNKUCHEN

English text
Selfportrait mit blini, Russland

Pfannkuchen sind das besonderste Frühstück/Essen, welches es bei uns zu Hause gab. Als ich klein war, arbeitete mein Vater im Krankenhaus mit Schichtdienst und allen familienunfreundlichen Aspekten, die diese Arbeitsumgebung mit sich bringt. Der Alltag war routiniert und wurde zu neunundneunzig Prozent von meiner Mutter aufrechterhalten. Nur zwei oder dreimal im Jahr machte mein Vater Pfannkuchen (nicht unbedingt als Frühstück). Meine Mutter ist eine meisterhafte Köchin und eine dominante Kraft in der Küche, mein Vater kann damit mindestens so meisterhaft umgehen. Da meine Mutter kocht, was sie mag, fallen Pfannkuchen unter den Tisch. Mein Vater allerdings hat einen süßen Zahn und somit kommt es, dass er sich in besonderen Momenten in die Küche stellte und seinen vier Kindern Pfannkuchen zauberte. Mein Vater macht Pfannkuchen wie kein anderer. Sie sind dünn, goldbraun, tellergroß und werden mit einer Pfannkuchenwurfshow gezaubert.

Hier in Russland isst man Pfannkuchen jeden Morgen. Das ist richtig: JEDEN MORGEN! Ihr könnt euch mein Gesicht vorstellen, als ich ankam und jeden Morgen Pfannkuchen auf dem Tisch standen. Mir sind die Augen aus dem Kopf gefallen, als ich an den Arbeitsaufwand dachte, die Stunden, die I. allmorgendlich in der Küche verbringen muss, damit alle Pfannkuchen bekommen. Zunächst dachte ich, dass es vielleicht so etwas wie ein Sonntagsfrühstück ist und mir zu Ehren gekocht wurde, schließlich hingen Ballons in meinem Zimmer und Girlanden über den Fenstern. Es stellte sich bald heraus, dass dem nicht so war. I. ist, wie viele russische Frauen, eine routinierte Pfannkuchenmacherin. Ihr habt richtig gehört, das Zauberwort ist routiniert. Auch ich bin auf dem besten Weg, diese neue Routine zu erlernen. (Ganz ohne dem Impuls folgen zu müssen, Essen in die Luft zu schmeißen. Ich fühle mich so erwachsen).

Hier die wissenswerten kulturellen Fakten zum Pfannkuchenessen auf Russisch:

  • es gibt keine Wurfshow
  • sie sind so groß wie Frühstücksteller und nicht dicker als drei Millimeter
  • jeder bekommt drei oder vier Stück, je nach Appetit
  • unter der Woche holt man die Pfannkuchen aus dem Kühlschrank
  • sie werden auf unterschiedliche Arten gefaltet, je nach Füllung/Belag.
  • zwar sind die Pfannkuchen süß, werden jedoch sowohl salzig als auch süß belegt
  • Belag: Kaviar, Käse, Wurst, Zucker, Honig, Marmelade, Smetana, pur, ...
  • sie werden mit den Händen gegessen außer im Restaurant

Wie kann es sein, dass dieses Juwel russischer Kultur es nicht auf die Brunch- und Breakfast-Menus der europäischen Cafés findet? (Unter diesem Namen, bitte!) Was läuft da verkehrt?

Russisches Frühstück im Unterricht, Samara, Russland

REZEPT

2 Eier

3 Tassen Milch

2 Tassen Mehl

1 Prise Salz

1 Handkuhle Zucker

2 EL Sonnenblumenöl

 

*Ich hatte mal die Grammangaben in meinem Telefon gespeichert, aber da ich es neulich in die Waschmaschine geworfen habe, muss ich diese Informationen leider als vermisst melden.

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Comments: 3
  • #1

    Alla (Saturday, 30 December 2017 12:52)

    Sorry, ich liebe Fragen zu Tischetiquette, da geht Begeisterung mit mir durch und ich muss einfach kommentieren:
    Bliny (russ. Pfannkuchen) gibt es in allen mir bekannten russ. Familien nicht jeden Tag, und wenn, dann entweder in der unbelegten Form zum Frühstpck oder in der herzhaft gefüllten Form zu Mittag. Tatsächlich machen Russen viel öfter Pfannkuchen als die Deutschen, das russ. Buttefest (Maslenniza) im Frühjahr (Frühlingsanfang, glaube ich), an dem mehrere Tage fast nur Pfannkuchen gegessen werden und Freunde und Familie hierzu geladen werden, ist wohl der Hauptgrund dafür.
    Neben unterschliedlicher Füllungs- und Faltmöglichkeiten gibt es grundsätzlich 2 Sorten von Pfannkuchen in RUS:
    1) dünne Crêpe-artige (wie bei meiner Mama, sie ist dann besonders stolz darauf, wie dünn sie gelingen)
    2) dickere aus Hefeteig

    Aber v.a. werden Bliny welcher Art und Form auch immer NICHT mit den Händen gegessen (die Samara-Bewohner spinnen in ihrer Provinz, auch wenn gerade der notorische Hochmut der Moskauer [und Petersburger] mit mir durchgeht�).

    XX,
    Alla

  • #2

    Alla (Saturday, 30 December 2017 12:53)

    *Butterfest

  • #3

    Bella (Saturday, 30 December 2017 18:56)

    Nein! Kein entschuldigen! Ich verzeihe dir deinen Metropolenhochmut. Mir geht das in Deutschland häufig ähnlich! (Auch ganz ohne Metropole!) ;-)