WIEDER EINMAL WEITERZIEHEN

English text
Grenzübergang, Indien

Blauäugig und nichts Arges ahnend begebe ich mich in der Dunkelheit zum Busbahnhof. Meinem Rikschafahrer musste ich einige Male energisch auf die Schulterklopfen, damit er auch in die richtige Richtung fährt. Als ich ankomme bin ich so froh am richtigen Ort zu sein und den richtigen Bus gefunden zu haben, dass mir die schmalen Sitzflächen und die fehlenden Kopfstützen zunächst keine Sorgen bereiten. Ich bin eine der Ersten die sich in den Bus setzt, aber bald wird er richtig voll. Auf die Frage, ob sich ein junger Mann neben mich setzen kann, verneine ich stur. Das wird hier zu eng. Keine Ahnung was der sich denkt, wenn meine Hüften sich in seine bohren. Also muss eine junge Frau herhalten. Sie scheint sich nur unwillig von der Seite ihres Vaters entfernen zu lassen, aber mir ist das nur recht. Ich kann einer achtstündigen Nachfahrt nicht entgegen sehen, wenn ich mir Gedanken um meinen Sitznachbar machen muss. In dieser Situation wird mir deutlich, wie viel sich in mir verändert hat. Ich bin froh darum.

Sitze im Bus, Varanasi, Indien

Nach vier Stunden haben wir das erste Drittel des Weges geschafft, nach acht Stunden noch nicht einmal zwei Drittel. Wir werden brutal hin und her geschüttelt. Der Bus braust durch die dunkle und vernebelte Nacht, vorbei an Essständen und Hütten. Obwohl ich davon ausgehe, dass sich der Himalaya bald bemerkbar macht, bleibt die Erde flach. Ich drifte in den Schlaf, wache bei jedem Schlagloch auf. Bald schläft das fremde Mädchen neben mir auf meiner Schulter ein. Ich vermisse mein aufblasbares Reisekissen, welches ich in Delhi wegschmeißen musste. Mein Nacken schmerzt, mein Kopf ebenfalls. Das ständige gegen die trübe Scheibe hauen, kann nicht gesund sein. Nach 12 Stunden kommen wir endlich an der Grenze zu Nepal an. Wir fahren in einen Ort, der sich entlang einer Straße auf die Grenze zu befindet. Millionen von Lastwagen stehen Schlange. Der Bus quetscht sich an ihnen vorbei und zieht unbeeindruckt seines Weges. Irgendwann biegen wir links ab und nach zwei weiteren Minuten Schotterpiste, sind wir angekommen. Natürlich befindet sich hier nichts, außer einiger Rikschafahrer. Wie so häufig ziehe ich an ihnen vorbei und ignoriere ihre Angebote. Ein wenig Bewegung wird mir guttun, auch wenn es feucht-kalt ist. Ich trotte die Schotterpiste zur Grenzstraße entlang zurück und halte die Augen offen nach dem Grenzposten. Natürlich finde ich nichts, laufe bis zu Grenze, um dann wieder zurück geschickt zu werden. Dieses Mal finde ich die zwei verschiedenen Büros, die mir die richtigen Stempel geben. Der Nebel hängt nach wie vor tief und das riesige Grenzportal hebt sich in die weiße Wand. Es sieht so aus als hätte ich alles. Ich blicke einmal verträumt zurück und setzte dann einen Schritt vor den Anderen. Jetzt gilt: wieder einmal weiterziehen.

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