Je vais bien, ne t’en fais pas. Der französische Film aus dem Jahr 2006 hat einen sehr schönen und einprägsamen Titelsong (der auch im Trailer gespielt wird). Auf IMDB bekommt der Film trotz der jungen Mélanie Laurant (Inglourious Basterds) nur 7,4 Punkte. Ich sah ihn zum ersten und einzigen Mal am Abend vor meiner ersten Rucksackreise nach Spanien. Mit meiner damaligen Mitbewohnerin sollte es ein entspannter, billiger und naturreicher Urlaub werden. Sie war bereits weiter und planloser gereist als ich. Mit Rucksack, Zelt und Studentenbudget ging es los. Nach einigen Tagen des relativ sorglosen Unterwegsseins nahmen wir einen kleinen Zug, der bis zur Küste fuhr, um später einfach, wo es uns gefiel, auszusteigen. Wir entschieden uns für einen eingleisigen Bahnhof mit Betonhäuschen im Wald. Mit viel zu schweren Rucksäcken standen wir also dort, bereit für das nächste Abenteuer. Der Wald stellte sich als klein heraus und der Weg zur Küste bestimmt nicht länger als 30 Minuten. Die Klippen fielen 40 Meter in die Tiefe und oben war eine schmale Straße mit ein paar Häusern. Am Strand zu schlafen (Plan A) schlugen wir uns schnell aus dem Kopf, da der Strand schmal war und wir nicht ausschließen konnten, dass Ebbe und Flut uns in der Nacht überraschen würden.
Wenn man mit schwerem Gepäck läuft und nicht weiß, wie lange das noch geht, dann ist jeder Meter ein Meter zu viel. Wir liefen also die schmale Straße entlang in Richtung einiger Campingplätze. Nach 5 Kilometern stellte sich heraus, dass der entsprechende Campingplatz voll war, der nächste sei jedoch nur 5 Kilometer entfernt und dort gäbe es direkt drei! Wir würden bestimmt fündig werden.
5 Kilometer später waren auch diese drei Plätze voll. Es war Hauptsaison. Ich war zu diesem Zeitpunkt bereits in panische Angst verfallen, im Hochsommer unter freiem Himmel schlafen zu müssen. Ich bin müde ziemlich unerträglich, kombiniert mit Angst, Erschöpfung, Hunger und langsam steigender Panik kann es nur auf H.'s Gleichmütigkeit zurückzuführen sein, dass wir noch miteinander sprechen. Sie hatte in weiser Voraussicht darauf gepocht, dass wir etwas zu essen und einen billigen Rotwein im Rucksack hatten und so liefen wir weiter. In meinem jugendlichen Leichtsinn konnte ich mir nicht vorstellen, dass man in Spanien wild campen darf. (Darf man.) Die Vorstellung „einfach irgendwo“ zu schlafen – unvorstellbar.
Wir liefen die schmale, fußweglose Landstraße entlang vorbei an einer Kirche, einem Wald und einem Friedhof. Noch heute erinnere ich mich genau an die Geräusche dieser Nacht. Das Rauschen des Meeres, der Bäume, das Schlagen der Wellen, die entfernten Geräusche von Menschen und das einzelne an uns vorbeifahrende Auto. Rechts und links war es dunkel. Auf der einen Seite war Wald und auf der anderen fiel das Land ins Meer. Ob die Klippen so hoch waren wie an dem Ort, an dem wir aus dem Zug gestiegen waren oder lediglich sanft im Meer verliefen blieb unserer Fantasie überlassen. Die Dunkelheit war absolut.
Nachdem H. aufopferungsvoll bei verschiedenen Hotels anklopfte und versuchte ein Zimmer unter 25€ zu bekommen (HA! Jung und naiv), wir von zwei weiteren Stränden abstand nahmen, als wir Wachhunde hörten (oder waren sie nur auf ihrem abendlichen Rundgang?) und dem Weg entlang einer sehr langen Mauer wieder aus dem Dorf heraus folgten, waren wir mit unserem Latein am Ende. In der Ferne hatten wir Wohnmobile gesehen und beschlossen mal zu fragen, ob wir uns dazu legen können. Beim Näherkommen hörte ich bereits eine mir vertraute Musik. Mein Herz schwoll an und ich lief schneller als ich sie erkannt hatte: es war die Titelmusik von Je vais bien, ne t’en fais pas. H. war etwas erstaunt über meinen Stimmungsumschwung aber folgte mir Kopfschüttelnd. In dieser Nacht schliefen wir am Straßenrand, neben den beiden Campern von zwei französischen Familien. Noch nie hat ein billiger Rotwein so lecker geschmeckt. Schlechte Menschen schauen keine guten Filme vor ihrem Campingvan.
Einfach irgendwo ist manchmal genau da, wo man sein muss damit der Groschen fällt.
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Kathi (Wednesday, 26 October 2016 15:27)
Sehr schöner Text! Ich meine mich zu erinnern,dass ich dir damals den Film ausgeliehen habe :) Wie schön,dass er dann so eine Bedeutung entwickelt hat! Hab gestern gleich nochmal den tollen Song gehört ("Lili,you'll see that you can breathe with no back up" - gute Lyrics)
Bella (Thursday, 27 October 2016 14:40)
Oh man, Kathi!!! Den hatte ich von dir?? Ich wusste nicht mehr wie ich an den heran kam! Was ein schöner Zufall! <3
Ronja (Thursday, 27 October 2016 15:49)
Ist übringen ne Lachmöwe im Schlichtkleid und keine Schwarzkopfmöwe... hab im Vogelbuch nachgeschaut. ;)
Genieß das Meer von der anderen Seite.
Umärmelung Ronja
Bella (Thursday, 27 October 2016 19:07)
Hi Ronja! :-) Super! Lachmöwe ist mindestens genauso schön wie Schwarzkopfmöwe, da sie weder Lacht noch einen schwarzen Kopf hat! Hach das ewige Schlichtkleid... ;-)
Hanna (Saturday, 29 October 2016 12:30)
An die Nacht erinnere ich mich auch noch gut.
Hanna (Saturday, 29 October 2016 12:35)
Und auch dass du das improvisierte Bad im Wald nicht so prickelnd fandest. :-P
Aber mit Wein und einem Film wurde am Ende ja dann doch noch alles gut. :-)