DER BOTANISCHE GARTEN

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Die Ebenen beim Spiel mit Blumen und Glas, Botanischer Garten, Sankt Petersburg

Sankt Petersburg ist wirklich schön. Auch das ist ein Ort, an dem man länger als zwei Tage verbringen kann. Weil ich nicht die Muße hatte, um vor Kunst zu stehen – ich war nervös und ständig auf der Hut, noch nicht ganz angekommen – entschied ich mich dazu, die Eremitage auszulassen und mir stattdessen den botanischen Garten anzuschauen. Das schien mir wichtiger als die europäischen Kunstwerke. Ich war schon immer eine KINO (Kunsthistorikerin in name only) und habe es studiert, weil mich besondere Orte seit Jahr und Tag fasziniert haben. Die Historie ist dabei im besten Fall eine spannende Geschichte und im schlechteren Fall ein unumgängliches Übel oder sagen wir ein Beigeschmack. Ganz ohne geht es nicht, aber die Hauptattraktion war sie nie.

Die Ebenen beim Spiel mit Blumen und Glas, Botanischer Garten, Sankt Petersburg

Vom botanischen Garten erhoffte ich mir einen Ort, an dem es sich zu verweilen lohnte. Einem Ort, der mir Motive bieten würde, die mehr sein könnten als nur Sehenswürdigkeit. Die Hauptanziehungskraft dieses Ortes lag (für mich) nicht eigentlich in den Pflanzen. Die 25 Gewächshäuser aus den Jahren 1823-24 boten eine Kulisse, die sich sehen lassen konnte. Die durch diese Bauten entstehende Atmosphäre war das, was die Fantasie anregte, die Feen und Geschichten im Kopf Loopings schlagen ließ. Es war ein Ruhepol in dieser doch sehr lebhaften Stadt (vor allem wenn man die Populationsdichte Finnlands gewöhnt ist).

Die Ebenen beim Spiel mit Blumen und Glas, Botanischer Garten, Sankt Petersburg

Obwohl mir viele gesagt hatten, dass er sich etwas außerhalb befände, war er am Ende doch nur ein paar Metrostationen weiter weg als die Eremitage. Also auch absolut zentral. Falls ihr mal in die Verlegenheit kommt, euch entscheiden zu müssen, werfe ich meine 2 Cent in die Waagschale des botanischen Gartens. Dort spricht man kein Englisch, kein Französisch oder gar Deutsch. Alles läuft auf Russisch. Es wird einfach ein wenig lauter und schneller geredet, als man erkannte, dass ich einer dieser leichtfertigen Touristen war, die ohne jegliche Russischkenntnisse die Grenze überquert hatten. Dann kaufte ich mir aus Verlegenheit die teuerste Tour, was sich am Ende als Segen herausstellte, aber mir während meines gesamten Spaziergangs Kopfzerbrechen bereitete. (Wurde ich übers Ohr gezogen? Hatte ich unnötig viel ausgegeben, weil ich mir einbildete dass das hier etwas besonderes sein würde? Wann würde ich das Geld schmerzlich vermissen?) Nach einem schönen Spaziergang im wenig bewachsenen und im Winterschlaf befindlichen Park, kam ich endlich zu den sehnlichst erwarteten alten und runden Gewächshäusern. In zierlichen Konstruktionen standen sie auf angerosteten und angefaulten dünnen Beinchen in wunderschönen Rundungen und Etagen im Schnee. Einige haben aufwendig gestaltete Pforten, die, wie es sich gehört, auf das Baujahr verweisen. Das hier ist der älteste botanische Garten in Russland. Er ist der schönste, den ich bis jetzt gesehen habe, aber ich war ja schließlich noch fast nirgendwo. Kiew zum Beispiel. Erst vor einigen Tagen habe ich Fotos gesehen, die mir zeigten, dass der noch schöner sein könnte.

Die Ebenen beim Spiel mit Blumen und Glas, Botanischer Garten, Sankt Petersburg

Auch an meinem zweiten Tag in Sankt Petersburg war es bitter kalt. Der Parkbesuch bei -20 Grad war natürlich nicht optimal, aber es würde diese Woche nicht wärmer werden, also musste ich mich in mein Schicksal fügen. Meine inzwischen angefrorene Nase begann zu laufen. Wie das bei dieser Kälte so ist, merkte ich es erst, als ein Tropfen auf meine Hand fiel. An diese etwas traurigen Realitäten des „echten“ Winters konnte ich mich nur langsam gewöhnen. Mich vor meiner eigenen Verachtung rettend, zückte ich mein Taschentuch und begab mich in die warmen Vorräume der Orangerie. Dort hatte sich bereits eine wild durchmischte Gruppe von russischen Touristen zu der russischsprachigen Besichtigung versammelt, die ich am Eingang bezahlt hatte. Ich würde nur durch diese wunderschönen Gewächshäuser laufen können, wenn ich dem Russisch sprechenden Menschen zuhörte. Also tat ich das. Allerdings mit Podcast im Ohr.

Die Ebenen beim Spiel mit Blumen und Glas, Botanischer Garten, Sankt Petersburg

Wenn ich groß bin, will ich einmal so ein Gewächshaus haben. Eigentlich möchte ich, glaube ich, russische Zarin werden und in den Palästen wohnen, vor dem Prunk in eine kleine Hütte in Lappland fliehen und die Wintersonne genießen. Dann neben meinem Palast einen Winterpalast bauen und überhaupt nur noch in der ersten Klasse im Zug sitzen. Am liebsten würde ich alles mitnehmen, was ich sehe. So viele Dinge, so viel Schönheit, so viel Gewaltiges. Aber dann erinnere ich mich an die fehlenden Toiletten in den Palästen, die unbequeme Zugluft, die lästigen Diener und überlege es mir doch anders. Dann lieber Rucksack, nicht Palast und Foto, nicht Souvenir.

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