ALAMUT - ZU ZWEIT

English text
Silhouette jumping, Alamut Castle, Qazvin, Iran

Aus der Wüste musste ich wieder einmal nach Teheran zurück, um mich mit J., meinem Reisepartner für Pakistan, gemeinsam um das entsprechende Visum zu bemühen. Wir hatten beide keine Lust, uns der Hauptstadt hinzugeben und so beschlossen wir gemeinsam in das Tal der Assassine zu fahren, Bergluft zu atmen und anzutesten, ob wir gemeinsam reisen konnten.

J. und ich, Alamut, Qazvin, Iran

Wir machten uns viel zu spät auf den Weg, verließen die Hauptstadt erst nach drei Uhr und verschenkten damit jegliche Chance darauf, unseren Übernachtungsspot noch vor Dunkelheit zu erreichen. Wir stiegen in unterschiedliche Autos. Da war ein Großvater mit seinem Enkel, eine junge Familie mit zwei kleinen Kindern, ein Mann mittleren Alters und allen mussten wir erklären, in was für einem Verhältnis wir zueinander standen. Mal waren wir verheiratet, mal Bruder und Schwester, mal Franzosen, mal Deutsche. Am Anfang fiel uns das noch relativ schwer, mit der Zeit wurden wir jedoch immer besser, sprachen mal Französisch, mal Englisch und lernten, uns gemeinsam auf der Straße zu vermarkten. Trampen ist hier im Iran einfach und die netteste Art und Weise, Kontakt zu den Einheimischen zu finden. Allerdings ist dieser Kontakt nie real, nie ehrlich, nie dauerhaft. Ein Umstand mit dem ich mich schwer tue.

Als wir Abends bei den Bergen ankommen, noch bevor wir über die erste Bergkette hinüber konnten, ist es dunkel und wir steigen aus dem Auto einer jungen Familie aus. Wir weisen die nett gemeinte, aber doch bereits nervige Weisung in Richtung Hotel von uns und laufen weiter die dunkle Straße entlang. Da meine Wanderstiefel in Teheran gestohlen wurden, krabble ich mit einem 22kg schweren Rucksack, in zarten sommerlichen Schläppchen den steilen Hang empor. Mit den richtigen Schuhen ein Kinderspiel, in meinem Fall zum Verzweifeln. Also ziehe ich die Schuhe kurzerhand aus und laufe barfuß den Hang hinauf. Auch gut.

Schlafplatz, Alamut Castle, Qazvin, Iran

Oben finden wir eine nette Ebene, die wie für unser Zelt gemacht ist. Wir bauen auf, kochen Nudeln ohne Salz, trinken Tee, knacken Nüsse und essen Datteln. Einer meiner glücklichsten Momente im Iran. Alles stimmt, niemand bedrängt mich und meine Grundbedürfnisse sind gedeckt. Zum Glücklichsein brauche ich nicht viel.

Alamut, Qazvin, Iran
Regenbogenberge, Alamut, Qazvin, Iran

Durch J. ist von einem auf den anderen Tag alles anders. Er fügt sich meinen zielgerichteten Reiseplänen und ich begebe mich mit ihm in die Hand der Einheimischen und in die Wildnis. Meine Reise wird durch unsere Begegnung sehr bereichert. Endlich kann ich mich so bewegen, wie ich das immer wollte, das Land von seiner charmantesten Seite kennenlernen. Obwohl es mich stört als Besitz betrachtet zu werden, komme ich nicht umhin, gerade das zu genießen. Niemand spricht direkt zu mir. J. muss das Gespräch führen, sitzt vorne an der Front. Ich sitze immer auf der Rückbank, da wo die Frau hingehört.

Schnell wird klar, woran man die guten von den schlechten Fahrern unterscheiden kann. Die Guten mustern mich einmal ausführlich und richten ihre Aufmerksamkeit dann auf J., die Schlechten verschlingen mich während der gesamten Fahrt mit den Augen. Oft führen sie Gespräche mit J. so, als wäre ich nicht da. Mir ist das recht. Mit den meisten möchte ich mich nicht unterhalten. Nur einmal steigen wir in den Jeep eines Herzchirurgen aus Teheran, der in die Berge fährt, um seine Mutter zu besuchen. Ihm müssen wir nicht viel erklären. Er sieht sofort, dass wir nicht verheiratet sind und seine Augen funkeln belustigt als er sagt, dass ihm das herzlich egal sei. Mit ihm führen wir ein ausgeglichenes Gespräch. Alle sind beteiligt, wir verstehen uns gut.

J.'s suche nach Herausforderung, Alamut, Qazvin, Iran

Die Berge sind das Schönste, das ich im Iran gesehen habe. Sie sind nicht einmalig und auch nicht das beeindruckendste was ich in diesem, an Wundern reichen Land, sehen durfte. Aber sie sind so vertraut, so leer, so eigensinnig, wie ich das gerne mag. Aus den Bergen fahre ich nach einer Nacht spontan mit einem jungen französischen Pärchen in die nächste Stadt und nehme einen Bus zurück nach Teheran, während J. höher und höher in die Berge wandert. Ich muss zurück in die Hauptstadt, um meine Botschaft zu veranlassen, mir das Papier auszustellen, das mir ein Pakistanvisum ermöglicht. Mich erwartet Ablehnung, Frust und Müdigkeit...

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