NEUJAHR IN INDIEN

English text
Ich auf meinem Bett in Delhi, Indien

Nachdem mir Weihnachten so gut gefallen hat, fahre ich an Sylvester einen ähnlichen Plan. Ich nehme mir das Bier im Kühlschrank vor, kuschle mich in einen von Kerzen umringten Stuhl und schreibe. Ich treffe einige harte Entscheidungen, die meine Weiterreise betreffen und räume in meinem Kopf auf. Außerdem entscheide ich, eine Woche länger in Indien zu bleiben. Mir geht es zu gut hier und mein Abenteuergeist hat sich noch nicht geregt. Beides deutliche Zeichen dafür, dass ich noch mehr Ruhe brauche. Und da Ruhe das wertvollste und seltenste Gut auf meiner Reise geworden ist, zögere ich, sie mir wieder entgleiten zu lassen. Da meine Gastgeber die freundlichsten Wesen sind, bieten sie mir direkt an, hier zu überwintern. Kurz bleibt dieser Gedanke in meinem Kopf hängen, aber da mein Budget unaufhaltbar sinkt, treibt mich meine Ratlosigkeit zu einer Flucht nach vorne. Ich werde weiterreisen nach Nepal. Danach nach Tibet, für eine kurze Woche und dann mit einer drei Tage langen Zugfahrt durch China nach Laos. Dann wäre ich wenigstens schon fast in Australien wenn mein Budget endgültig verrinnt. Mit etwas Geschick und Freiwilligenarbeit würde ich es vielleicht doch noch knapp schaffen. Ich müsste knausern und auf jeden Pfennig schauen (was mir sehr schwer fällt), aber das wäre es wert.

Neujahr wird in Indien genauso gefeiert wie in Deutschland, zumindest ist die Soundkulisse eine ähnliche. Ich habe aus Übereifer und Aktionismus ein Zugticket gebucht, das mich am 1.1.2018 um kurz vor sieben nach Jaipur bringen soll. Für A. und mich heißt das, dass wir am 31. früh ins Bett gehen und zu unwirtlicher Stunde aufstehen. Ich wusste von Anfang an, dass ich keine Ambitionen habe, die Clubs in Delhi unsicher zu machen, aber keine zwei Sekunden habe ich daran gedacht, dass A. eventuell genau das vor hat. Es überrascht mich, wie schnell ich mich daran gewöhnt habe, das er bereit steht. Wie immer macht mir A. morgens ein paar Eier und Toast, einen Tee und dann stolpere ich schon aus dem Haus und in ein neues Jahr...

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Comments: 2
  • #1

    Elisabeth (Friday, 16 March 2018 14:03)

    Liebe Bella,
    seit vergangenem Sonntag verschlingen wir deine Berichte und sind nun hier aktuell angekommen. Ich sehe vor meinen Augen immer wieder deine wunderschönen Bilder und durch den Kopf schwirren mir deine Erzählungen, Gedanken, Gefühle,…
    Du machst uns so ein großes Geschenk, DANKE! (Das ist nicht egoistisch oder narzistisch.)
    Wir dürfen an deinen Erlebnissen teilhaben, du lässt uns die Welt etwas weiter zusammenrücken und auch wir können noch viel dazu lernen.
    Schön, auch von dir mit R. in Schweden etwas erfahren zu haben.
    Ich bewundere euch junge Frauen, solche Reisen zu unternehmen – ich hätte diesen Mut nicht gehabt (ja, die Angst!).
    Krass, was Frauen in Armenien und im Iran durchmachen. So schlimm hätte ich es nicht vermutet.
    Eine Frau ist genau wie ein Mann ein eigenständiges Geschöpf Gottes. Keiner hat das Recht auf Besitz des Anderen. Ein gutes Miteinander und Respekt ist wichtig – das erlebst du ja auch bei deinen Eltern.
    Beim Lesen dachte ich gleich wieder an wunderschöne Erlebnisse in meinem Leben:
    Unsere Tour 2008 mit Zug, Bus, per Beine mit J., H. und mir und einem Rucksack(!) für 3 Tage auf der Krim mit abendlichem Suchen nach einem Schlafplatz und vielen hilfsbereiten Menschen. Oder unsere Hochzeitsreise 1982 als Rucksacktouristen mit Zelt und Proviant durchs Rilagebirge in Bulgarien und durch Gebiete am Schwarzen Meer, die kein Tourist betrat. Hier sahen wir z.B. Frauen, die auf der Straße in großen Töpfen ihre Obstgläser über Holzfeuer einkochten, mit denen wir auch ins Gespräch kamen. Sie hatten keinen Komfort, aber sie waren glücklich. Wir sahen den Reichtum in Russland und in der Ukraine, aber auch die bittere Armut, weit ab der Tousis. Und gerade diese Menschen waren die gastfreundlichsten. Das ging an meine Substanz.
    Danke, Bella, für dein Uns- Teilhabenlassen. Dadurch haben wir beide jetzt auch wieder wunderbare Gesprächsthemen: z.B. Was ist Glück? Was braucht der Mensch zum Leben? Brauchen wir den ganzen Ballast? – dein Beitrag über Glücklichsein.
    Wir merken, dass wir immer wieder in unser Muster zurück fallen. Wir wurden nun mal in diese Gesellschaft hinein geboren. Aber wir können etwas besser machen und von anderen lernen. Es ist wichtig, dass wir uns als Menschen sehen, jeder ist anders, jeder hat eine andere Stärke und auch Schwäche, jeder ist einzigartig. (Du merkst, ich könnte jetzt noch weiter schreiben. Aber jetzt ist Schluss, du brauchst deine Zeit.)
    Wir wünschen dir noch viele beeindruckende Erlebnisse, nette Menschen, die du kennenlernst und noch viele Gedanken, die du uns allen mitteilen kannst. Wir sind gespannt wie es weitergeht!
    Bleib behütet!
    Liebe Grüße aus Halle von deinen Fastnachbarn Elisabeth und Hartmut

  • #2

    Isabelle W (Sunday, 18 March 2018 03:46)

    Liebe Elisabeth, Lieber Hartmut,
    Vielen, vielen Dank! Ich werde immer Zeit haben lange Kommentare zu verschlingen! Und es ist einfach schön von zu Hause zu hören. Auf die Dauer ist das Schreiben doch einseitig und euer Kommentar kommt für mich genau zur richtigen Zeit.
    Ich freu mich riesig, dass meine Gedanken Konversationen angestoßen haben. Das ist das größte Kompliment das ich mir vorstellen kann. Oft wünsche ich mir, ich wäre vor dem Massentourismus geboren und könnte die Orte tatsächlich noch "entdecken". Wie aufregend eure Reisen gewesen sein müssen. Vor allem vor den Zeiten des Internets! Das Wissen jederzeit erreichbar zu sein, trägt viel zu meinem "Mut" bei.
    Vielen dank fürs mitlesen und liebe Grüße aus dem frühlingshaften Pokhara!
    Bella